Der Anfang des Gesellenvereins in Dietfurt
Schon immer gab es Gerüchte, dass es schon vor 1924 einen Gesellenverein in Dietfurt gegeben hat. Immer wieder gab es auch Versuche Licht ins Dunkel zu bringen. Im Mai 2009 wurde der damalige Diözesanvorsitzende Franz Holzheimer in Eichstätt fündig. In einer Diplomarbeit über "Die Geschichte des Kolpingwerkes Diözesanverband Eichstätt" ist zu lesen:
Der Autor bezieht sich lediglich auf eine Erwähnung in einem Buch, ohne eine Originalquelle zu nennen. Somit konnte diese Arbeit nur als Hinweis gewertet werden.
Schließlich konnte im März 2010 der Dietfurter Ehrenbürger und Heimatforscher Franz Kerschensteiner in den Verkündbüchern der Pfarrei Dietfurt auch einen „urkundlichen" Nachweis über die Existenz des Gesellenvereins finden:
Weitere Einträge folgen, ein besonderer sei hier zitiert:
Das junge, 2016 gewählte Leitungsteam griff das Thema auf und konnte in den Chroniken der Brudervereine in Riedenburg und Beilngries weitere Eintragungen zur Vereinsgründung in Dietfurt finden.
Chronik Riedenburg: Am 3. Januar fuhr der Verein unter seinem Vorstand Pirzer nach Dietfurt, der feierlichen Gründung des dortigen Vereines beizuwohnen.
Chronik Beilngries: 3. Januar 1869. Gründungsfest in Dietfurt.
20 Gesellen und 6 Ehrenmitglieder mit der Vereinsfahne wohnten dem Feste bei.
Die Chronik Beilngries erwähnt weiterhin an mehreren Stellen sehr intensive Begegnungen zwischen Beilngries, Dietfurt und Töging:
- 17. Mal 1869: Fuhren 20 Vereins-Gesellen mit Fahne zur Fahnen-Weihe nach Dietfurt der noch 5 Ehrenmitglieder beiwohnten.
- 25. Juli 1869: Ausflug des Gesellen-Vereins (24 Mann stark) nach Töging und Zusammentreffen daselbst mit dem Bruderverein von Dietfurt sehr heiter und fröhlich.
- 12. Juni 1870: Ausflug nach Töging u. Zusammenkunft mit dem Bruder-Vereine v. Dietfurt - allgemeine Heiterkeit daselbst.
Auf Geheiß des Königlichen Bezirksamtes Hemau fertigt die Stadtgemeinde Dietfurt ein Vereinsverzeichnis an. Es existieren zwei Vereine:
- Feuerwehr
- katholischer Gesellenverein
Auch der Vereinszweck ist zu nennen, so steht zu 2.:
Geselligkeitserhaltung alle Sonntag, 3 Stunden Übung in Deutscher Sprache, dann in den neuen Maßen u. Gewichten.
Bei der Anfrage vom Königlichen Bezirksamt Beilngries aus dem Jahr 1881 musste der Stadtrat melden:
Der Gesellenverein besteht schon seit mehreren Jahren nicht mehr.
Der Wiederbeginn des Gesellenvereins in Dietfurt
Ohne das Wissen um die frühere Existenz wird dem Gesellenverein 1924 am 3. März durch Stadtpfarrer Benno Meier wieder neues Leben eingehaucht.
Aus dem Chronikbuch:
Geschichte des Kath. Gesellenvereins Dietfurt.
Am 3. März 1924 Abends 1/2 8 Uhr versammelten sich auf Anregung des hochwürdigen Herrn Stadtpfarrer Benno Meier im Amtszimmer des Pfarrhofes siebzehn junge Gesellen.
Einer der denkwürdigsten Tage des Katholischen Gesellenvereins ist der 7. Juni 1925. Der Festtag der Fahnenweihe.
Böllerschüße weckten am frühen Morgen das Städtchen. Schon um fünf Uhr zog die Stadtkapelle unter Leitung des Dirigenten Herrn Karl Tratz durch die Straßen und gab durch die herrlichen Weisen dem ganzen Tag einen besonderen Auftakt. Auch der Himmel war uns wohlgesinnt, denn die Sonne strahlte den ganzen Tag in voller Pracht den ganzen Tag.
Von 8 Uhr an wurden die Brudervereine herangespielt. Um 3/4 10 zogen unsere Gesellenvereine mit flatternden Fahnen, voran der Patenverein von Riedenburg, dann die Gesellenvereine Berching, Beilngries, Neumarkt, Beratzhausen, Breitenbrunn, Hemau, Altmannstein und Dietfurt mit sämtlichen Vereinen in das Gotteshaus.
Hier war heilige Messe mit Weihe der Fahne und eine sehr schöne Ansprache des hochwürdigen Herrn Präses. Während der heiligen Feier spielte die Stadtkapelle Choräle.
Nachher zog alles an die Festtribühne am Rathaus. Hier übergaben die Ehrenjungfrauen Walli Seheis, Anna Stiegler und Anna Bachhuber die neugeweihte Fahne dem Fahnenjunker Egid Seitz, der sie unter dem Treuegelöbnis entgegen nahm. Beisteher waren Josef Bachhuber und Klemmens Brachner. Hierrauf hielt Herr Brunner die Festrede. Er verstand es durch seine sinnigen Ausführungen die Gesellen für ihre Sache zu begeistern.
Der Patenverein Riedenburg überbrachte durch seinen Senior die besten Grüße und Glückwünsche. Fünf kleine Bräutchen begrüßten uns Gesellen mit sehr schönen Gedichtchen. Mit dem Kolpingslied schloß die vormittägliche Feier.
Nachmittags um 2 Uhr fand der Festzug statt. Die Gesellen haben unter Leitung des Herrn Schloßermeister Werle ihr Handwerk in schön gezierten Festwägen zur Schau gestellt. Auf dem ersten Wagen war das Handwerk der Schmiede, Schloßer und Wagner dargestellt, auf dem zweiten die Zimmerleute, Mauerer, Steinmetzer und Schreiner und auf dem dritten das Kolpingsdenkmal im bekannten Bild und das Handwerk der Schuhmacher, Schneider und Bader. Ein froher und eindrucksvoller Anblick.
Der Marsch erfolgte wiederum zur Festtribüne. Herr Stadtrat und Bezirkstagsvorsitzender Krauser wußte in herrlichen Worten uns Söhne Kolpings im Namen der Stadt und des Bezirks zu begrüßen und zu beglückwünschen. In gediegenen Worten übergab der Senior Franz Halbritter die Fahnenbänder.
Der Festzug begab sich hierauf in den Garten des Herbergsvaters Oexl der für das leibliche Wohlbefinden gesorgt hatte.
Zum Schluße sprach der Senior allen die zum Fest mitgeholfen den herzlichsten Dank aus. Und bei sinkender Sonne fand das schöne Fest seinen Abschluß. Es wird in der Erinnerung fortleben wie der schöne Gruß, der an diesem Tag so oft erklang:
Gott segne das
ehrbare Handwerk.
Als Folge der nationalsozialistischen Machtübernahme war es 1933 die traurige Pflicht von Präses Benno Meier den Gesellenverein aufzulösen.
Heute am 2. Juli 1933 abends um 8 Uhr löst sich der kath. Gesellenverei Dietfurt auf. Das Vereinsgut fällt auf Geheiß vom 14. Mai der Generalversammlung der kath. Pfarrkirchenstiftung Dietfurt zu.
Dietfurt den 2. Juli 1933
B. Meier, Präses,
Franz Halbritter, Senior
Am 21. Mal 1946 wurden die Jungen Gesellen in den Vereinssaal gebeten; es erschienen 47. Einstimmig wurde die Wiederstiftung des Ges. Vereins beschlossen.
Als Vorstand Joh. Braun, ..., Fahnenjunker Karl Werner, als Schriftführer Gg Kapfer, Ludw. Mürbeth.
75-jähriges Jubiläum
Beginnend mit der Chronik von 1924 feierte die Kolpingsfamilie 1999 folgerichtig das 75-jährige Bestehen mit einem großen Fest.
Bei einem festlichen Gottesdienst wurden auch zwei neue Banner geweiht.
Der Festakt wurde in der schwarzorange dekorierten Turnhalle gefeiert. Als Festredner war der Landesgeschäftsführer Hans Koller eingeladen.
An der Schwelle ins neue Jahrtausend sprach er über „Kolping 2000 -Wohin geht die Reise?"
Vier Positionslichter gab er uns mit auf den weiteren Weg unserer Gemeinschaft:
Christ sein heute zeigt sich in
- Gemeinschaft erleben
- Lebenshilfe geben
- Orientierung vermitteln
- Öffentliches Leben mitgestalten
Sicher kann sich keiner mehr an den Wortlaut der Ansprache erinnern. Doch die Grundausrichtung unseres Zusammenlebens ist nach wie vor an diesen Lichtern ausgerichtet.
Gesellenhaus - da sind wir daheim
Aus der Chronik:
Ein lang gehegtes Vorhaben des Hochw. Herrn Präses Benno Meier konnte am 7. März 1930 begonnen werden. In das Haus der Kath. Kirchenstiftung wurde ein Vereinssaal und ein Gesellenschlafzimmer eingebaut. Hier konnten die wanderden Gesellen übernachten.
Herr Andreas Halbritter hatte sein Studium an der Bauschule in Regensburg beendet und konnte die örtliche Bauleitung übernehmen. Der größte Teil der Arbeiten wurde von Vereinsmitgliedern zu sehr billigem Preis ausgeführt. Am Karsamstag (19.4.1930) war der Bau vollendet und am Osterfest konnte die feierliche Eröffnung vorgenommen werden.
So wurde aus dem Haus der Kirchenstiftung das Kolpinghaus.
Der Gesellenverein füllte es mit Leben. Vorträge, Fortbildungen Theaterstücke und das gesellige Beisammensein waren die wichtigen Inhalte der Abende.
Immer wieder wurde das Gesellenhaus umgebaut, technisch auf dem Stand der Zeit gehalten und verschönert.
Legendäre Faschingsbälle wurden im Vereinsheim gefeiert. Ein Bild aus dem Jahr 1960 zeigt das lustige Treiben.
1975 wird der gesamte Bereich der Pfarrei neu gebaut. Sämtliche Gebäude des Areals werden abgrisssen, auch das Kolpinghaus.
Neben dem Pfarrhof und dem Mesnerhaus entsteht auf dem Gelände das Pfarrheim. Hier findet der ehemalige Gesellenverein, welcher sich zur Kolpingsfamilie weiterentwickelt hat, neben den anderen kirchlichen Gruppen eine neue Heimat. Neben vielen Erinnerungen an die schönen Stunden im Kolpinghaus ist ein Zeuge aus Stein erhalten geblieben - das Kolpingwappen.
Einst zierte es den Schriftzug Kolpinghaus, heute begrüßt es alle Besucher des Karl-Strehle-Pfarrheims. Es wurde von Martin Hierl gefertigt.
Besonders der Gruppenraum im Keller wird immer wieder neu gestaltet und sehr intensiv genutzt. Anfänglich wurde hier meist Tischtennis gespielt oder gebastelt. Etwa 1983 wurde der lange „Betonschlauch" zur Teestube umgebaut und in langen Nächten die politische Lage mit Atomkraftwerken, dem kalten Krieg, dem Wettrüsten und vielen weiteren Themen diskutiert.
Lange hat es gedauert, bis schließlich 2009 die Jugend wieder neuen Wind in den Keller brachte. Wie im Jahr 1930 und 1983 wurde fast alles in Eigenleistung erbracht.
Weitere interessante Informationen findet Ihr auch in der Festschrift zu unserem 150-Jährigen Jubiläum. Ein Blick da rein lohnt sich auf jeden Fall!